Eigentlich hatten wir gedacht, dass sich die Kritik an SYRIZA mittlerweile erledigt hätte, da die griechische Regierung selbst durch ihre Politik der letzten Wochen deutlich gezeigt hat, wie vergeblich die Hoffnung in die Parlamente ist. Jedoch mussten wir feststellen, dass es auch in der hiesigen Szene noch etliche Illusionen über den griechischen Linksreformismus gibt. Um dem etwas entgegenzusetzen, haben wir die folgende kleine Stellungnahme anarchistischer Genossinnen aus Griechenland übersetzt.
Anarchistische Gruppe Dortmund, 6. August 2015
Chronik eines linken Selbstmords
Angesichts des Elends, das in Griechenland in den letzten Jahren herrscht, übernahm die linke Koalition SYRIZA im Januar 2015 die Macht. Sie schwenkte die Fahne der patriotischen Hoffnung und der angeblichen europäischen Prinzipien Demokratie, Gleichheit und Solidarität.
Die Ereignisse der letzten Wochen führen uns zu der Schlussfolgerung, dass dies nur eine Rauchbombe war oder sogar eine populistische Illusion. Wie auch immer, die Bombe ist explodiert.
Seit der Ankündigung des Referendums – das in der Lage war, tausende von Menschen mit unterschiedlichen Orientierungen, Wünschen und Bedürfnisse zu mobilisieren – gab es verschiedene Interpretationen, obwohl die Frage klar war: Ja oder Nein zum von der EU vorgeschlagenen Sparabkommen?
Das Ergebnis jedoch, wen interessiert’s? Da sieht man, wie sehr es ihnen auf ihre geliebte Demokratie ankommt! Am 15. Juli wurden vom Parlament Sparmaßnahmen beschlossen, die noch vom letzten Memorandum her ausstanden, damit die europäischen Partner einem neuen Rettungsprogramm zustimmen. Diese beinhalteten nicht nur, was 62% der Wähler im Referendum am 5. Juli abgelehnt hatten, sondern mehr und sogar noch härtere Maßnahmen, die den Weg für Zwangsräumungen und mehr Elend in den nächsten drei Jahren frei machen.
Wir haben immer noch offene Rechnungen mit dieser politischen Abscheulichkeit, die in den letzten Jahren in viele Projekte, Kollektive und Räume des Kampfes einsickerte, indem sie Versprechungen gegen Wählerstimmen aus der anarchistischen / antiautoritären Bewegung gab. Spätestens seit N. Romanos Hungerstreik1 war diese Wahlkampfpropaganda schmutzig, aber verschiedene anarchistische Strömungen stimmten trotzdem für eine linke Regierung, obwohl der kürzliche große Hungerstreik von mehr als 30 inhaftierten Genossinnen und Genossen die Absichten dieser Regierung offen gelegt hat.
Zweifellos wurde dieser Bruch in der anarchistischen/antiautoritären Bewegung von der Repression durch die letzten Regierungen und ein umstrittenes Gespenst „revolutionärer“ Subjekte hervorgerufen. Die verstärkte Anwesenheit von „roten und rosaroten“ Tendenzen spülte etliche Genossen hinweg und innerhalb von eineinhalb Jahren ging die Radikalisierung der Bewegung verloren. Dies wird noch diskutiert und analysiert werden müssen.
Ungeachtet dieses Bündnisses glaubten manche von uns zu keinem Zeitpunkt diesen Versprechungen einer „besseren“ linken Regierung. Einige der wichtigsten historischen Beispiele zeigen genau, was passieren würde, sobald sie die Macht übernommen hatten. Wir glaubten niemals, dass die Repression aufhören würde oder dass sie ihre Versprechen gegenüber unseren Genossinnen halten würden; wir ließen uns weder mitreißen noch opferten wir unsere anarchistischen Worte und Taten im Namen einer großen gesellschaftlichen Aufmerksamkeit.
Stattdessen entschieden wir uns dafür, mit unserer Präsenz auf dem Syntagmaplatz zu antworten. Ohne Bündnisse und Zugeständnisse kehrte der Konflikt auf die Straße zurück. Nach über einem Jahr der Ruhe füllte sich das Zentrum von Athen einmal mehr mit Leben und Licht. Das Feuer entzündete Banken und Fernsehwagen und ließ die Bullen wieder tanzen.
Aber vergesst nicht, dass jede Schlacht ihren Preis hat. Die Meisten der dreizehn Inhaftierten dieser Nacht waren Genossen. Für sie und für alle, die es beim nächsten mal treffen wird, wird unsere Solidarität und Antwort wieder auf der Straße stattfinden.
Bleibt dran!
(Quelle: http://insurrectionnewsworldwide.blogspot.de/2015/07/greece-chronicle-of-leftist-suicide.html)