Diskussionsbeitrag: Für einen Bruch mit der autoritären Linken?

Wir dokumentieren hier einen Text aus der aktuellen Gaidao (Zeitschrift der Föderation Deutschsprachiger Anarchist*innen) von der Anarchistischen Initiative Kaiserslautern.  Welcher als Diskussionsbeitrag auf den bei Linksunten Indymedia erschienen Text von „Einige Anarchist*innen aus Dortmund“ „Für einen Bruch mit der autoritären Linken“ geschrieben wurde.

 

Für einen Bruch mit der autoritären Linken?
Anlass für den vorliegenden Text war ein Beitrag auf Indymedia, verfasst von „Einigen
Anarchist*Innen“ aus Dortmund Mit dem Scheitern des Parlamentarismus in
Griechenland vor Augen, fordern sie auch hierzulande eine stärkere Unterscheidung zwischen autoritärer und antiautoritärer Linker sowie „den Bruch mit der autoritären Linken
voranzutreiben“.

Die Autor*Innen sagen, dass für sie „die Trennlinie nicht zwischen links
und rechts, sondern zwischen autoritär und antiautoritär verläuft“ und
reduzieren die Gemeinsamkeiten der Linken auf einen „diffusen
antikapitalistischen „Konsens“. Mit dieser Auffassung fordern sie unter
anderem, den „Bruch mit der autoritären Linken voranzutreiben“.
Vorweg: Wir finden es fragwürdig, alles was hierarchisch ist generell als
autoritär abzutun, da dies die Bedeutung des Wortes autoritär verringert
und eine Unterscheidung schwierig macht. Zum Beispiel besteht für
uns ein Unterschied zwischen der Regierung der AKP von Erdogan und
der Regierung der BRD. Da wir dies hier jedoch nicht diskutieren
wollen, belassen wir es im vorliegenden Text der Einfachheit halber bei
der Trennung zwischen autoritärer und antiautoritärer Linker.
Die Frage, die sich uns jedoch stellt ist, ob solch ein Bruch für uns

Anarchist*Innen sinnvoll ist. Zunächst: Was ist konkret mit Bruch
gemeint und was hätte dies für uns zu bedeuten?
Keine Solidarität mehr mit autoritären Gruppen? Für jeden Anlass
eigene Flyer schreiben? Keine autoritären Linken mehr auf Demos
dulden? Einige Punkte, die in dem Indymedia-Text vorgeschlagen
werden finden wir sinnvoll, bei anderen hingegen sehen wir einen eher
negativen Nutzen im Hinblick auf die zukünftigen Auswirkungen und
der damit verbundene Entwicklung der antiautoritären Bewegung.
Durch einen Bruch könnte die Handlungsfähigkeit in akuten
Situationen eingeschränkt werden. Gerade wenn es darum geht
Angriffe abzuwehren, also zum Beispiel eine Abschiebung zu
verhindern oder Auswirkungen einer Finanzkrise abzuwehren, wäre
eine Zusammenarbeit sinnvoll, ja sogar notwendig.
Außerdem ist unseres Erachtens die Gefahr einer Isolierung für die
Antiautoritären durch einen Bruch mit der autoritären Linken groß. Wir
bewegen uns in einer uns „feindlichen“ Umwelt. Zu der
wirtschaftlichen und politischen Situation kommt, dass auch viele linke
Organisationen und die meisten Gewerkschaften hierarchische und
staatsfixierte Strukturen befürworten. Eine Übereinstimmung findet
sich tatsächlich oftmals nur noch über das Wörtchen
„antikapitalistisch“. Doch Brüche mit diesen oder jenen lösen keines
unserer Probleme oder bringen mehr Menschen unsere Ideen nahe,
geschweige denn, dass mehr Menschen anfangen, sich in libertären
Projekten zu engagieren.
Parteien, Parlamentarismus, Gewerkschaftsapparate sollten jederzeit
stark kritisiert werden. Doch sollten wir nicht vergessen, dass hinter
diesen Organisationen viele Menschen stehen. Wir müssen unseres
Erachtens eine gewisse Nähe wahren, um beispielsweise einen Diskurs
anregen zu können. Gerade aktuell wird beispielsweise die
Entscheidung der Ver.di-Funktionär*Innen im Streit mit der Post von
vielen Arbeiter*Innen heftig kritisiert. Ideen wie basisdemokratische
Entscheidungsfindung könnten Anklang finden. Kritisch-Solidarische
Aktionen könnten dazu beitragen unsere Ideen zu verbreiten und eine
kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen fördern,
sowie unseren eigenen, schon bestehenden Projekten, Aufmerksamkeit
zukommen lassen. Wir sprechen dabei aber nicht davon, dass wir in die
bestehenden Organisationen eintreten sollten, um unsere Ideen zu
verbreiten.
Vielmehr sollten wir eigene Strukturen aufbauen und stärken, dabei
aber keinen totalen Bruch mit anderen linken Organisationen oder
Gewerkschaften vollziehen und uns nicht komplett von der Außenwelt
abnabeln, die uns zwar nicht passt, die wir ja aber verändern wollen!
Ein kompletter Bruch à la „Was ihr macht ist generell eh scheiße“ käme
letzten Endes nicht uns zu Gute. Wir bewegen uns nun mal in dieser
Realität und müssen hierin versuchen, Mittel und Wege zu finden, um
eine Vielzahl an Menschen zu erreichen. Ansonsten können wir weiter,
überspitzt formuliert, in unseren AZs hocken und ‘Deutschland du
Opfer’-Aufkleber drucken.
Es ist sinnvoll abzuwägen, wann eine Zusammenarbeit mit anderen
linken Organisationen möglich ist und wann nicht, natürlich spielt das
Verhältnis vor Ort auch eine Rolle. Es gibt jedoch sicherlich auch
Themen, bei denen eine Übereinstimmung besteht und es zu einer
Zusammenarbeit kommt. Hier ist es dann sinnvoll, wie die AutorInnen
aus Dortmund am Schluss ihres Textes noch als Vorschlag für die Praxis
anführten, die eigenen Positionen deutlich herauszustellen. Denn: Was
spricht dagegen, andere linksorientierte Menschen beispielsweise auf
einer x-beliebigen Ersten-Mai-Demo oder auf einem lahmen DGB-Fest
mit einer anarchistischen Rede oder einem libertären Infostand zu
erreichen? Ein eigenständiges Ausschließen hiervon würde uns diese
Chance nehmen einer Vielzahl an Menschen eigene Positionen
darzustellen und zum Beispiel auch einen Diskurs zu
autoritärem/antiautoritärem Sozialismus anzuregen. Etwas mehr
Pragmatismus würde in manchen Situationen sicherlich nicht schaden,
solange die eigenen Ideen nicht über Bord geworfen werden!
Denn eine Alternative bieten unsere Ideen in jedem Fall, wie
beispielsweise die Begeisterung vieler „autoritärer“ Linker für Rojava
und die Ideen des demokratischen Konföderalismus zeigt, welcher ja
bekanntlich auf den Ideen des Anarchisten Murray Bookchin fußt.