Die Versammlungsfreiheit ist nicht verhandelbar!

In den letzten Wochen wurde bekannt, dass die Landesregierung ein eigenes Versammlungsgesetz für NRW plant. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 besteht für die Bundesländer die Möglichkeit, eigene Versammlungsgesetze zu schaffen. Der eingereichte Gesetzesentwurf versteht sich als Vorschlag für ein „modernes Versammlungsgesetz“, liest sich jedoch eher wie eine Erweiterung des Polizeiaufgabengesetzes. Wenn dieses Gesetz durchkommt, wird die Versammlungsfreiheit deutlich eingeschränkt und die Kriminalisierung von antifaschistischem Protest, sowie Zivilem Ungehorsam, weiter vorangetrieben. Was steht also genau im Gesetzesentwurf?

Wie bereits angedeutet, werden umfassende Befugniserweiterungen für die Polizei gefordert. So soll diese Versammlungen verbieten oder auflösen können, bei denen sich ähnlich gekleidete Personen gegenüber anderen einschüchternd verhalten (§18 Militanzverbot). Personen, die sich an diesen Versammlungen beteiligen, können dann zusätzlich auch noch mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen (§27 Straftaten). Wer sich hierbei „einschüchternd“ oder militant verhält, entscheidet selbstverständlich die Polizei. In den Anmerkungen zum Gesetzentwurf zeigt sich jedoch schon mal deutlich, in welche Richtung es gehen soll. Es wird Bezug genommen auf die gleichfarbigen Overalls, die bei den Protesten des Klimabündnisses Ende Gelände im Sommer 2019 verwendet wurden. Hiermit soll die Klimagerechtigkeitsbewegung zunehmend stärker kriminalisiert werden. Diese wird dem Staat wohl immer unbequemer, da die Unfähigkeit des Umgangs mit dem Klimawandel im gegenwärtigen kapitalistischen System immer offensichtlicher wird.
Zudem zeigen sich Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung deutlich herrschaftskritisch, was sicher ebenfalls nicht im Interesse des Staates liegt.
Weiter wird ein sogenanntes Störungsverbot (§7) im Gesetzesentwurf formuliert. Hiermit soll der aktive Gegenprotest, z. B. bei Naziaufmärschen, erschwert werden. Explizit wird darauf hingewiesen, dass Blockadeaktionen (und auch schon Blockadetraining im Vorfeld) unter Strafe gestellt werden sollen. Dies macht es für Antifaschist*innen in Zukunft deutlich schwieriger sich der zunehmende Gefahr der extremen Rechten – wortwörtlich – in den Weg zu stellen. Die weitgreifende Möglichkeit der Registrierung der Gesichter von Aktivist*innen stellt nun immer mehr in Frage, inwiefern man es sich erlauben kann an einer Versammlung teilzunehmen. Auch hier sollen kritische Geister still gestellt werden. Blockaden als Angriff auf die Meinungsfreiheit darzustellen, stärkt am Ende genau die, welche diese schon immer untergraben wollen. Daran anknüpfend soll auch die Ausweitung der Videoüberwachung bei Kundgebungen oder Demonstrationen (§16 Aufnahmen und Aufzeichnungen Ton) festgeschrieben werden. Das mögliche Filmen aus „Übersichtsgründen“ lässt hierbei natürlich viel Spielraum für die Polizei zu.
Der Weg zu Versammlungen kann in Zukunft auch durch Kontrollstellen (§15) erschwert werden. Auch soll die Praxis der Meldeauflagen eingeführt werden, die schon seit Jahren an der Fussballfanszene „ausprobiert“ wird. Hierbei müssen sich bestimmte Personen, die von Versammlungen ferngehalten werden sollen, zeitgleich zu diesen bei einer Polizeidienststelle melden. Übrigens nicht mehr für das neue Versammlungsgesetz vorgesehen ist, dass sich Zivilpolizist*innen gegenüber der Versammlungsleitung ausweisen müssen.

Dieses Gesetz sorgt nicht für mehr Versammlungsfreiheit, vielmehr wird scheinbar das Gegenteil beabsichtigt. Aktivist*innen und bestimmte Protestformen werden kriminalisiert und sollen durch Repressionen und gesellschaftliche Ausgrenzung unterdrückt werden. Hiermit soll der politische Handlungsspielraum eingeschränkt werden, auf ein Maß, welches die kapitalistische Grundordnung und die staatliche Herrschaft nicht gefährdet. Dieser Gesetzesentwurf führt eine Entwicklung fort, die auch lokal zu beobachten ist. Mit der Taserbewaffnung der Polizei und der geplanten Videoüberwachung der Münsterstraße gibt es in der Dortmunder Nordstadt aktuell gleich zwei Projekte, mit denen der Polizeiapparat aufgerüstet wird.
Wir möchten mit diesem Text dazu aufrufen, sich gegen die Pläne der Landesregierung zu wehren. Mit diesem Versammlungsgesetz werden grundsätzliche Freiheiten (weiter) eingeschränkt, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Natürlich sollten wir uns auf der Straße versammeln dürfen, und zwar so, wie wir das möchten, ohne vorherige Kontrolle und gerne auch mal spontan und unangemeldet. Also lasst uns aktiv werden gegen diese Einschränkungen. Macht mobil und erzählt allen von diesem Vorhaben der Landesregierung. Die Versammlungsfreiheit ist nicht verhandelbar!

Anarchistische Gruppe Dortmund im März 2021

Der ganze Gesetzesentwurf findet sich unter:
landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-12423.pdf